Mittwoch, 10. November 2010

Gesundheitsbrigade in Ayapel, Cordoba

Hallo alle zusammen,

heute möchte ich euch von meinem langen Wochenende auf der Gesundheitsbrigade in einem Dorf namens Ayapel berichten, das sich im Norden Kolumbiens befindet.
Am Donnerstag sind wir gegen 9 Uhr morgens in einem wirklich bequemen Bus abgefahren. Das war vielleicht ne Fahrt über Stock und Stein oder besser gesagt über tausende von Schlaglöcher, was mir ein bisschen Übelkeit bereitet hat. Aber insgesamt ging es schnell voran und ich konnte viel von der wunderschönen Landschaft sehen, als wir durch die Anden gefahren sind. Gegen 19 Uhr abends sind wir dann endlich in Ayapel angekommen. Natürlich gab es keine Asphaltstraßen, sondern nur unebene holprige matschige Straßen, die nur so von Müll übersäht waren. Beim Einfahren ins Dorf kamen wir uns vor wie die Nationalelf, die gerade zu einem wichtigen Spiel in Berlin einreist.

Die Bewohner haben uns mit großen Augen angeschaut, die Kindern uns gewunken und sind dem Bus hinterher gerannt. Als wir dann an der Schule angekommen sind, wo wir übernachten und die nächsten Tage verbringen würden und wir dann aus dem Bus gestiegen sind, hat mich der Schlag in Form von unfassbarer Schwüle und Hitze getroffen. Wie in der Wüste! Kein einziger Windstoß!
Um uns herum hat sich schon eine riesige Menschenmenge versammelt, die uns bei jeder einzelnen Bewegung beobachtet hat. Anfangs war das sehr seltsam für mich und hat mich auch gestört, denn als wir dann unser Schlafplatz in einem Klassenzimmer vorbereitet mussten, haben sich Kinder und Erwachsene an die Fenster gestellt und uns zugeschaut. Kein bisschen Privatsphäre. Ich hab mich schon gefragt, ob sie uns auch beim Schlafen beobachten würden, aber dem war so nicht- zum Glück! Nachdem dann auch andere Teams aus anderen Städten (Cartagena, Montelibano, Medellín) eingetroffen sind, haben wir gemeinsam zu Abend gegessen und uns noch ein wenig unterhalten, sind dann aber auch recht schnell ins Bett gegangen, weil wir von der Fahrt ziemlich fertig waren. Gott sei Dank gab es 4 Ventilatoren, ansonsten hätten wir uns nachts zu Tode geschwitzt.
So, vielleicht fragt ihr euch, was „Gesundheitsbrigade“ bedeutet und was wir da mit den verschiedenen Hilfsteams gemacht haben. Also, das Ziel dieser Gesundheitsbrigade war, die Menschen aus dem Dorf mit Medikamenten, Kleidung, Essen und ärztlicher Behandlung zu versorgen. Es gab also verschiedene Teams, die sich um die verschiedensten Bereiche gekümmert haben, wie beispielsweise das Sortieren der Kleider, was sich als wirklich sehr kompliziert erwies: Am ersten Tag ist das Team, das für die Kleidung zuständig war, in die Häuser der Bewohner gegangen und hat sich die Anzahl der Familienmitglieder, Alter, Geschlecht, Kleider und Schuhgröße notiert, sodass sie später beim Sortieren für jede einzelne Person Kleider zusammen suchen konnten. Für jede Familie wurde ein Sack mit Klamotten vorgesehen, sodass alles gerecht zu ging.
Dann gab es das „Friseur-Team“ oder besser gesagt, das Team, das sich um das Töten von Kopfläusen der Kinder gekümmert hat, das Team der Ärzte, die von morgens bis abends eine riesige Schlange von Menschen behandeln mussten und kaum Zeit zum Ausruhen hatten, ein Zahnarzt-Team, ein Team von Sozialarbeitern, die auch von Haus zu Haus gegangen sind, um sich Notizen über die Lebensverhältnisse der Leute zu machen, sich aber auch ihre Geschichten angehört haben. Dann gabs noch ein Musikteam und das Team, das sich jeden Tag um Aktivitäten mit den Kindern gekümmert hat.
Da wir uns aussuchen durften, wo wir gerne mithelfen wollen, habe ich mir die beiden letzten Bereiche, also Musik und die Aktivitäten mit den Kindern ausgesucht.
Am ersten Tag hieß es dann erstmal um 5 Uhr aufstehen, weil wir uns duschen mussten und sich ansonsten ne große Schlange vor den Duschen gebildet hätte. Nach einem Treffen zur Besprechung mit allen Helfern (wir waren etwa 70) und nachdem Frühstück haben sich dann jeweils alle Teams getroffen, um an die Arbeit zu gehen.


Wir, die wir uns um die Aktivitäten mit den Kindern gekümmert haben, haben uns jeden Morgen zusammen gesetzt und uns ein Programm mit Theaterstücken, Liedern und Spielen vorbereitet.
Nachdem wir etwa 1 ½ Stunden das Programm für den Tag vorbereitet haben, haben wir uns als Clowns verkleidet, geschminkt und sind durchs Dorf gelaufen, um die Kinder zu dem Platz zu rufen, wo die Aktivitäten stattfinden sollten. Aber eigentlich mussten wir die Kinder nicht rufen, sie sind uns einfach hinterhergelaufen, haben uns an die Hand genommen, uns umzingelt….wir kamen uns schon vor, wie der Rattenfänger von Hameln, dem alle Kinder gefolgt sind, nur das wir nichts Böses im Schilde geführt haben =)
Am Platz angekommen, haben wir uns erst mal alle vorgestellt und dann mit Aufwärm-Spielen begonnen. Alle Kinder (es waren täglich mehr als 100!!!) haben begeistert mitgemacht und gelacht und sich von Herzen gefreut. Das war wirklich ein schöner Anblick.

Nach 2 Stunden in unserer Verkleidung und in der prallen Sonne verschwitzt in fast nassen Klamotten (es waren um die 40 Grad!!!) und durstig, war das Programm zu Ende und wir sind wieder zu unserem Platz gegangen, im Anhang natürlich mit den ganzen Kindern, die sich einfach nicht von uns trennen wollten. Das sah dann ungefähr so aus, dass wir am essen waren, sie daneben saßen, uns zugeschaut haben, wir am Reden waren, sie uns angeguckt haben, als wenn wir von einem anderen Stern kommen würden. Aber daran haben wir uns recht schnell gewöhnt, dass sie uns nach Schritt und Tritt gefolgt sind, schließlich haben die Kinder noch nie Ausländer gesehen und hatten mega viele Fragen an uns =)


Allgemeine Dinge:

Duschen: Die Bewohner des Dorfes waren sehr offen, sehr herzlich und immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie waren sogar so freundlich, uns ihre Duschen zur Verfügung zu stellen. „Duschen“ bedeutet dort, aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen, das Wasser in einem Eimer in das Badezimmer zu transportieren, wo es grundsätzlich übelst gestunken hat und fette Spinnen rumhingen, und sich mit einem Kübel Wasser zu begießen. Selbst eine Minute nach dem Duschen habe ich mich kein bisschen erfrischt gefühlt, sondern genauso wie vorher. Die Hitze oder die Schwüle hat sich einfach wie Kleidung an einen angeschmiegt. Aber trotz allem war ich sehr dankbar für diese Gastfreundschaft. Meistens standen wir nämlich schon um 5:30 morgens an der Tür um uns zu duschen und die Hausbewohner sind dann schnell aus ihrer Hängematte gesprungen und haben uns in ihr Haus gelassen. Wirklich sehr liebe Menschen.

Tiere: Hunde, Schweine, Esel, Tiere, Hühner….die sind alle mitten unter uns auf dem Hof rumgelaufen, das war auch mal ein anderes Erlebnis, ein fettes Schwein ganz nah neben sich zu haben :D



Letzter Abend:

Der letzte Abend war sehr besonders, denn an diesem Abend hat der „Versöhnungs-Pakt“ stattgefunden. D.h., die Bewohner wurden dazu aufgerufen, öffentlich vor allen (aber ohne Namen zu nennen) denjenigen zu vergeben, die ihnen in irgendeiner Art Leid zu gefügt haben. So kamen viele ältere Frauen auf die Bühne, um den Mördern ihrer Söhne oder Ehemänner öffentlich zu vergeben. Es kam auch ein etwa 8 jähriger Junge nach vorne, der unter Tränen seinem Vater vergeben hat, der ihn im jungen Alter verlassen hat. Das war ein wirklich sehr trauriger Moment.

Musik: Jeden Abend hat die Band, in der ich gesungen habe, Musik gemacht. Die Lieder waren natürlich auf Spanisch! Und es war wirklich ein Privileg für mich, irgendwo in Kolumbien, vor hunderten von Menschen zu singen. Ich hatte schon die Befürchtung gehabt, dass ich hier nicht mehr die Möglichkeit zu singen haben würde, aber Gott sei Dank, wurde mir in der Brigade die Möglichkeit dazu geschenkt.

Abschied: jaaa, der Abschied viel den Kindern sehr schwer, manche haben sogar geweint und ich glaube das waren echte Tränen, denn zum ersten Mal in ihren Leben, kommt jemand, der sich um sie kümmert, der ihnen 3 Tage volle Aufmerksamkeit schenkt, aber nach so kurzer Zeit wieder verschwindet. Ganz viele Kinder kamen und haben uns Abschiedsgeschenke gemacht, wie selbstgemachte Armbänder, Zeichnungen, Früchte (Mir wurde von irgendeinem kleinen Jungen eine riesige Kokosnuss überbracht, aber leider wusste ich nicht von wem und so konnte ich mich nicht bei ihm bedanken…) Dann fing auf einmal ein Kind nach dem anderen damit an, nach Autogrammen von uns zu fragen (Ich kam mir wirklich wie ein Star vor J) und die wichtigste Frage im Laufe des Abends war: Hast du FACEBOOK??? :D Obwohl keiner von ihnen Internet Anschluss in seinem Haus hat, hat jeder Facebook :D Sehr interessant….

Aber auch für mich war es sehr komisch nach diesen 3 Tagen wieder nach Hause zu fahren, habe ich doch die Kinder und das gesamte Team in mein Herz geschlossen und außerdem neue Jugendliche kennen gelernt und einfach eine tolle Zeit erlebt.



Ich bin überaus dankbar, dass ich den Menschen in Ayapel helfen und dienen konnte.





Sooo, und jetzt verabschiede ich mich auch von euch =) Machts gut und bis zum nächsten Mal,

eure Sylvia

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