Samstag, 30. April 2011

2.Gesundheitsbrigade

Am 20.04 ging es für mich auf meine zweite Gesundheitsbrigade, diesmal in einem Dorf namens „Plaza bonita“ (Schöner Platz), das 8 Stunden von Medellín entfernt ist.
Dort angekommen, hat uns strömender Regen erwartet und ich ärgerte mich darüber, meine extra für die Brigade gekauften Gummistiefel nicht mitgenommen zu haben, da mir gegen Ende doch davon abgeraten wurde. Da wollte ich einmal wenig Gepäck mitnehmen und dann endet es so….ich hab es doch gewusst!





Zurück zum strömenden Regen: Gott sei Dank hörte dieser jedoch noch am selben Tag auf und am nächsten Morgen wurden wir von einer strahlenden, nein, das ist zu untertrieben, von einer Sonne geweckt, die nur so auf unsere Köpfe knallte. Und die Erde war auch schon fast trocken, das heißt kein matschiger Boden und Dreck und so weiter!
Das waren doch die besten Vorrausetzungen für eine Brigade! (Jetzt ärgerte ich mich nicht mehr darüber, meine Gummistiefel mitgenommen zu haben =)).

Ach, noch ganz wichtig zu erwähnen ist die Polizei,


die extra kam, um uns beschützend auf Schritt und Tritt, den wir außerhalb von der Schule machten, in der wir uns aufhielten, zu begleiten. Das war anfangs erstmal sehr seltsam für uns, aber wir gewöhnten uns dann schnell an unsere „Bodyguards“.





In dieser Brigade arbeitete ich nicht nur in einem Bereich, sondern durfte in die verschiedensten Bereiche rotieren.
Am ersten Tag fing ich mit „trabajo social“ (Sozialarbeit) an, d.h. wir sind mit einem Team von etwa 4 Leuten und einer ausgebildeten Sozialarbeiterin los, um einige Häuser in den Dörfern zu besuchen. Das Ziel an erster Stelle war, die Gesundheitsbrigade mit all ihren „Angeboten“ bekannt zu machen, die da wären: das Angebot eines Zahnarztes und eines Allgemeinarztes, Medikamentenausgaben, Aktivitäten für die Kinder, Kleiderspenden. Aber auch, um einfach nur mit den Menschen zu reden, ihnen unser Interesse an ihnen und ihren Leben zu zeigen, und damit ein Bild von ihren Lebensbedingungen zu erhalten. So konnte dann auch gut beurteilt werden, welche Familien es am nötigsten hatten, so genannte „Fichas“ zu erhalten, Karten, die man vorzeigen musste, um eine Tüte mit Kleiderspenden oder anderen Sachen zu erhalten.
Ich war erstaunt, wie die Bewohner des Dorfes auf uns reagierten: Ohne uns zu kennen, öffneten sie uns die Türen, ließen uns sofort Platz nehmen, hörten uns zu und erzählten uns von ihren Schwierigkeiten. Die erste Frau, die wir besuchten (sie war auf der rechten Seite ihres Körpers gelähmt) brach bei der Frage: „Wie geht es Ihnen?“ sofort in Tränen aus und erzählte von ihrem Sohn, der getötet wurde.
Das andere Haus, das wir besuchten bestand aus zwei zusammengesetzten Familien, die zu dreizehnt unter einem Dach leben. Die Mutter beklagte sich über den Platzmangel, den sie in ihrem Haus haben: 5 Kinder, die sich ein Bett teilen müssen und fing auch zu weinen an, als sie vom kürzlichen Tod ihrer Schwester zu erzählte. Als ich das alles hörte, hätte ich am liebsten auch zu weinen angefangen. Es ist traurig mit an zuhören, mit was für Problemen die Menschen zu kämpfen haben!
In einem anderen Haus ging es ganz schön „wild“ zu: Durch die Küche, die nur Erde als Boden hatte, grunzte ein fettes Schwein, spazierte ein riesiger Pfau, und viele Hühner herum. Das war ein wirklich sehr ungewöhnliches Bild einer Küche! So was sieht man ja nicht alle Tage =)
Nach dem Mittagessen ging es mir auf einmal total schlecht, ich hatte Bauch- und Kopfweh, wahrscheinlich hatte ich einfach zu viel Sonne bekommen. Ich ging dann nicht mehr weiter Hausbesuche machen, sondern wurde zum Ausruhen in einer Hängematte geschickt. Nach 2 Stunden schlafen, ging es mir dann auch viel besser =).


Am nächsten Tag wollte ich in der Kleidersammlung mithelfen, d.h. Kleider sortieren, was ich auch tat, aber nur für eine halbe Stunde, denn eigentlich war Sarahs und meine Hilfe aufgrund von vielen Mithelfern nicht sehr benötigt. Außerdem herrschte da so ein Chaos, da ich eher froh war, dem entfliehen zu können.







Ich half dann später bei den Aktivitäten mit den Kindern mit und musste einige Dinge erledigen. Dies führte mich wieder in die Kleidersammlung, wo ich verschiedene „Outfits“ für Sketche, die für die Kinder geplant wurden, raussuchen musste. Das hat dann doch ganz viel Spaß gemacht- trotz des Chaos, das dort gegenwärtig war.





Später begleitete ich die Koordinatoren bei einigen Erledigungen. Wir klopften dann auch an eine Tür und fragten, ob es denn möglich wäre, morgens und abends dort zu duschen.
Die freundliche Besitzerin gab uns ohne weiteres die Erlaubnis, ihr Bad zu benutzen. Ich war sprachlos über diese Offenheit und dieses Vertrauen der Dorf-Bewohner!

Am Nachmittag drückte mir Garelis, die Koordinatoren der Brigade, einen Stapel „Fichas“ in die Hand, die den Dorf-Bewohnern ein Termin zum Arzt und zum Zahnarzt gaben. Die Leute warteten schon am Zaun. Garelis gab mir noch den Tipp, besonders auf Alte, Frauen und Kinder zu achten, schubste mich in die Menschenmenge und meinte dann: So, viel Glück! Ich hoffe, du teilst die „Fichas“ so aus, dass genau diejenigen sie erhalten, die sie am Nötigsten haben! Und schloss den Zaun hinter mir zu. Ich stand dann da, umzingelt von einer Menschenmenge, die ihre Hände zu mir ausstreckte, um „Fichas“ zu erhalten und teilte die „Fichas“ aus. Da es aber nur eine bestimmte Anzahl an „Fichas“ gab, da der Arzt auch nur eine bestimmte Anzahl an Menschen pro Tag behandeln kann, musste ich mich gut entscheiden, an wen ich sie austeilte. Das war gar nicht leicht und ich fühlte mich schlecht, nur einigen Leuten welche zu geben. Am liebsten hätte ich sie an alle ausgeteilt, aber das war ja leider nicht möglich.

Am letzten Tag widmete ich mich nur den Aktivitäten mit den Kindern: Zunächst packte ich verschiedene Spielzeuge, die von Spenden kamen, in Tüten, die später an die Kinder des Dorfes verteilt wurden.
Am Nachmittag sammelten wir als Clowns

verkleidet wieder alle Kinder aus dem kleinen Dorf ein. Im Schlepptau hatten wir unsere Bodyguards, die Polizei, die uns eifrig mithalf, die Kinder zu rufen. Später, bei den Dynamiken und Tänzen, war es wirklich lustig mit anzusehen, wie die Polizisten in ihren Uniformen bei allen Aktivitäten animiert mitmachten und sogar mittanzten.




Die Aktivitäten mit den Kindern endeten mit einer Wasserschlacht, bei der die Kinder begeistert mitmachten.












Am letzten Abend teilten wir genauso wie in Ayapel, unserer ersten Brigade, auf Wunsch der Kinder Unterschriften aus und fühlten uns wieder wie Stars :D





Dann, als es schon dunkel war und ich mich fürs Schlafen fertig machen wollte, passierte es:
Ich putze mir die Zähne und war noch am Überlegen: Bring ich den Spülbecher wieder in die Küche zurück, wo ich ihn her hatte, oder lass ich ihn einfach hier am Waschbecken stehen? Ich hab jetzt ehrlich gesagt nicht so Lust einen Umweg in die Küche zu machen, dachte ich,….naja aber eigentlich muss ich ihn schon wieder zurück bringen. Hab den Becher ja auch schließlich genommen…..Ich entschied mich dann also, den Becher doch wieder wegzubringen und nahm den Umweg in Kauf, der unbeleuchtet war. Auf einmal stieß ich mit meinem Zeh gegen einen Stein. Das tat fürchterlich weh. Ich merkte sofort, dass das kein normaler Stoß war, wie wenn man sich mal mit dem Zeh an einen Stuhl stößt oder so. Ich humpelte also voller Schmerzen ins Licht und sah meinen Zeh mit Blut überströmt! Ich musste mich erst mal hinsetzen und dann kam auch schon die Krankenschwester, die meinte, dass es gar nicht gut aussehe. Ich schaute gar nicht hin, was sie da an meinem Zeh machte und pienste vor Schmerzen nur herum. Auf einmal gabs ein ruckartiges Ziehen und mir wurde dann berichtet, dass die Krankenschwester soeben ein Stückchen Haut vom Zeh abgerissen habe. Wie gut, dass sie es mir später und nicht vorher erzählt haben, sonst wäre ich glaub ich schreiend weggehumpelt…

Nun ja, ganz abgesehen von dem verletzten Zeh, den ich jetzt habe und der noch ab und zu sehr weh tut, war die Gesundheitsbrigade mal wieder ein einzigartiges Erlebnis, das ich hoffentlich nicht vergessen werde 